Alaskan Dream

Alaskan Dream

Ich kann mich gut an eine Schulaufgabe in der 5. Klasse erinnern: Wir sollten eine Weltreise mit sechs verschiedenen Stopps erfinden, während ein paar Wochen zu Hause über diese Orte recherchieren und einen mehrseitigen Aufsatz darüber schreiben. Ich war noch jung, aber mich hat damals schon der Nordwesten von Amerika in seinen Bann gezogen, weshalb dieser einer meiner Stopps wurde. Ich fand es einfach so was von cool, dass diese grossen Berge den Ozean berühren. Dementsprechend war dann auch der Inhalt meines Stopps in Alaska: Am Morgen ging ich snowboarden und pflügte durch tief verschneite Hänge direkt hinunter ans Meer. Nachdem ich ein Feuer gemacht und mich umgezogen hatte, ging ich am Nachmittag neben meinen Orka-Freunden surfen. Womöglich haben diese Orkas noch Feuer gespuckt, aber da möchte ich jetzt nicht zu weit ins Detail gehen. Auf alle Fälle fuhr ich zu der Zeit erst seit wenigen Jahren Snowboard und habe noch nie gesurft. Aber schon damals war es für mich klar, dass ich eines Tages nach Alaska muss.

 

Mat lässt nach seiner Firstline in einem massiven und steilen Couloir die unglaubliche Szenerie auf sich wirken

 

Wenn dich deine Sponsoren nach Alaska schicken um an deinem Videopart zu arbeiten, hast du es definitiv geschafft. Das ist der ultimative Ritterschlag und jedes Jahr bringen die Szenen aus Alaska immer wieder die Leute zum Staunen. Schlichtweg ein Traum für jeden Snowboarder oder Skifahrer, der gerne im Powder unterwegs ist. Ich habe nie das Level erreicht, damit mich meine Sponsoren nach Alaska schickten, um für eine der vielen grossen Produktionen zu filmen. Somit blieb es über die Jahre hinweg bei diesem Traum, bis wir eines Tages mit ein paar Kollegen ins Gespräch kamen und von ihren Plänen hörten.

 

Banger Shot von einem Buckelwal, welches an einem Downday unser Starphotograph Matthias Schwestermann geschossen hat.

 

Julian Fürsinger, Andreas Arn und Dominik Betschart haben sich vor ein paar Jahren entschieden, zusammen im Jahr 2016 nach Alaska zu fahren. Matthias Schwestermann, mein Bruder Mat und ich haben uns sehr leicht dazu überreden lassen, diesen bereits abgeschriebenen Traum wieder ins Auge zu fassen und ihn uns selber zu erfüllen. Das Wetter in Alaska kann sehr unbeständig sein und es ist möglich, dass  2 Wochen am Stück sehr schlechtes Wetter herrscht. Durch diese Gegebenheit entschlossen wir uns vier bis fünf Wochen in Alaska zu verbringen. Zusammen mit der Tatsache, dass viele Hänge nur mit Helikopter zu erreichen sind, mussten wir ein paar Jahre sparen um uns diese Reise überhaupt zu ermöglichen.

 

Alaskan morning. Bereits gegen 6:30 Uhr flogen wir auf den ersten Gipfel. Wir mussten uns zuerst daran gewöhnen in so kurzer Zeit von 0 auf 100 oder vom Bett auf dem Gipfel zu sein.

 

Letzten März war es endlich soweit und wir machten uns  auf nach Alaska. Alaska macht flächenmässig 20% von der Landfläche der USA aus und ist diesbezüglich der grösste Staat. Jedoch leben dort nur 0.22% der US-amerikanischen Bevölkerung. Da störte es auch niemanden, dass wir während 5 Wochen ohne Wasser in zwei Wohnmobilen lebten und unser Geschirr im nächsten Fluss abwuschen oder jaulend durch die Wälder streiften. An Schlechtwettertagen verbrachten wir viel Zeit am Meer, liessen Drachen fliegen, fragten Fischer, ob sie uns mit raus aufs Meer nehmen würden, oder spielten eine Runde UNO. Auch neben dem Snowboarden haben wir sehr viel erlebt und lernten diese unendlichen Weiten unberührter Natur mit den riesigen Gletschern und Bergseen lieben.

 

Unsere zwei Wohnmobil-Gangs. Oben: Die Gebrüder hä? Sebi & Mat Bumann zusammen mit Julian Fürsinger (v.l.). Unten: Dominik Betschart, Andreas Arn und Matthias Schwestermann (v.l.).

 

Nach knapp zehn Tagen erlaubten es die Verhältnisse zum ersten Mal mit dem Heli rauszufliegen und unsere erste AK-Line in Angriff zu nehmen. Diese ganzen Downdays zehrten bereits an unserer Laune und wir waren alle so was von motiviert endlich das Brett anzuschnallen und loszulegen. Unser Guide Zach liess uns am Anfang verständlicherweise einen eher bescheidenen Hang hinunter fahren. Nach zehn Tagen Schneefall gab es eine Menge Neuschnee und auf den Luxus von einem Institut für Schnee- und Lawinenforschung kann man – im Gegensatz zu der Schweiz – in Alaska nicht zurück greifen. Niemand wusste, wie die Verhältnisse sind und wie viel Neuschnee es tatsächlich gegeben hat. Zudem wollen die Guides zuerst schauen, wie man so fährt, um danach dem Level entsprechend das weitere Vorgehen zu planen. Deshalb waren wir auch etwas nervös und keiner von uns wollte irgendwie stürzen und den anderen den Trip versauen. Mat hat bereits bei der zweiten Abfahrt ein Brett ausgelöst und uns wurde es nochmals bewusst, dass Alaska eben Alaska ist und obwohl das generell die Schneeverhältnisse stabiler sind, trotzdem durch die steileren Abfahrten einiges passieren kann. Der erste Tag hatte es in sich und wir vielen erschöpft und total happy am Abend in in unser kaltes Bett, um für den nächsten Tag ready zu sein. Bereits zu diesem Zeitpunkt sprengte das Erlebte meine kühnsten Träume.

 

Zuoberst von Espresso, kurz danach sich Mat verletzt hat und kurz vor dem schweren Lawinenunglück.

 

Wir sind in den fünf Wochen sehr viele Lines gefahren und haben einiges erlebt. Es war auch immer wieder ein Wechselbad der Gefühle. Auf einer Seite der pure Stoke, die Leidenschaft und die riesige Freude, auf der anderen Seite der Respekt vor diesen Bergen und Gletschern. Beispielsweise standen wir an einem Morgen wieder bereits um 7 Uhr zuoberst einer Traum-Line, die ersten Sonnenstrahlen tauchten die Spines in ein schönes Morgenrot und der Schnee war der Wahnsinn. Eine Stunde später sass Mat verletzt im Helikopter auf dem Weg zurück zur Basis und es ereignete sich ein schweres Lawinenunglück bei einer anderen Crew, die auch in der Gegend unterwegs war. Um die Suche nach dem Verschütteten zu beschleunigen, wurden Crews, die sich näher der Lawinenunglücksstelle befanden, dorthin geflogen. Das Wetter wurde mit jeder Minute schlechter und wir sassen auf einem Grat fest, mit einer Abfahrt vor uns mit knapp 58 Grad. Wir mussten natürlich warten, bis ein Heli zurück kam um uns zu holen. Auf den letzten Drücker schafften wir es zurück zur Base. Der Morgen hatte gut angefangen, nun war Mat verletzt und wir wussten nicht, ob er etwas gebrochen hatte, da er kaum noch gehen konnte. Zudem musste der Lawinenverschüttete der anderen Crew in die Hauptstadt Juneau geflogen werden und keiner wusste wie schlimm es tatsächlich um ihn stand. Dementsprechend veränderte sich der herrschende Vibe am Morgen als alle voll motiviert rausflogen und alle waren besorgt. Nach einem Besuch im 50 km entfernten Spital stand fest, dass Mat die restlichen Tage durch seine Verletzung nicht mehr mit auf den Berg konnte. Schlussendlich hatte Mat aber riesiges Glück, dass er nicht mit dem Kopf auf den Felsen aufgeschlagen ist und auch der Lawinenverschüttete war in kürzester Zeit ausser Lebensgefahr. Innerhalb ein paar Stunden wurde uns allen wieder so richtig bewusst, auf was wir uns da eingelassen haben und wie schnell trotz allen Sicherheitsvorkehrungen etwas passieren konnte. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal ein solches Wechselbad der Gefühle erlebt hatte und bin nur froh und dankbar, dass Mat mit durch seinen Sturz nicht schlimmere Verletzungen erlitten hatte.

 

Dominik Betschart navigiert bravurös raus aus der gefährlichen Zone.

 

Gegen Schluss des Trips gab es nochmals einen massiven Reset und die Sterne standen gut, dass es ein richtig guter Abschluss geben würde. Wir flogen nochmals zwei volle Tage von jeweils 6.30 Uhr bis 18:30 Uhr raus und verbrachten knapp 12 Stunden in dieser atemberaubenden Szenerie. Im Wallis gibts den Aletschgletscher, den grössten Gletscher der Alpen und dieser lässt mich auch heute noch in Ehrfurcht erstarren. In Alaska war dieses Gefühl mein ständiger Begleiter und wir kamen alle teilweise kaum mehr aus dem Staunen raus. Die Gletscher sind nochmals viel massiver, die Wächten und Schneemassen grösser und man entdeckt andauernd wieder neue Sachen, die einem schlichtweg den Atem rauben. Im Vergleich zum Anfang, wo wir diese unendlichen Möglichkeiten, die der Heli uns gab, nicht so richtig einzuordnen wussten, profitierten wir die letzen Tage durch das eingespielte Teamwork und wurden immer erfahrener.

 

Sebis Point of View an einem frühen Morgen auf einer Spine bei Coffeine. Der Schnee war perfekt.

 

Nichtsdestotrotz hat keiner von uns das Gefühl, zurück in die Schweiz zu kommen und hier weniger schnell ähnliches zu erleben, oder dass das hier erlebte einfach nicht mehr reichen würde. Die Schweiz hat viele Vorteile zu bieten gegenüber Alaska. Wir gingen anfänglich davon aus, dass wir viel zu Fuss erreichen können. Dem war aber nicht so, da das Gebiet einfach extrem weitläufig ist. Im Gegensatz dazu ist die Schweiz gut erschlossen und man muss nicht zwingend zuerst 5 Stunden laufen, bevor man am Fuss einer gewünschten Line steht. Man kann hier in der Schweiz sein Splitboard nehmen, und bereits nach nur einem kurzen Aufwand auf einem Berggipfel stehen, den Wind um die Ohren pfeifen hören und eine lange Abfahrt vor sich finden. Das schien bei uns in Alaska kaum möglich und war mit einem riesigen Mehraufwand verbunden. Weiter sind die Schweizer  bekannterweise  Weltmeister im Kartenzeichnen. Das wurde uns in Alaska ein weiteres Mal klar und die Karten gaben meist nur einen groben Überblick. Auch das ganze Prozessdenken, welches man während einem ganzen Winter hier in der Schweiz verfolgt, ist in Alaska durch die fehlenden Messstationen und Schneeprofile (bei uns gibts die kostenlos (!!!)) kaum möglich. Somit sind wir in der Schweiz diesbezüglich schon fast verwöhnt und klar kann man in Alaska öfters richtig steile Hänge fahren und der Schnee ist betreffend Stabilität einfach der Wahnsinn. Nichtsdestotrotz hat dieser Trip gezeigt, wie anders, aber nicht weniger schön wir es hier zu Hause haben.

 

Solche Berge gabs soweit das Auge reicht und womöglich noch viel, viel weiter!

 

Schlussendlich sind wir alle mehr als nur gestoked diese wirklich unglaubliche Erfahrung gemacht zu haben. Es war eine sehr intensive Zeit mit extrem viel Spass und unglaublicher Freude. Es ist schön, wenn man tatsächlich seine Träume nicht nur träumt, sondern an einem Zeitpunkt sich zusammen nimmt, für diesen Traum arbeitet und ihn schlussendlich auslebt (Ab und zu ist auch an den kitschigsten Klischees tatsächlich noch etwas Wahres dran ;) ).

 

Die Dok "Inclined" erscheint im Oktober. Mehr Bilder und Infos gibts hier.

 

Unter der Führung von Julian Fürsinger haben wir unseren Alaska-Trip gefilmt und bald wird eine kurze Doku darüber erscheinen. Mehr Bilder und Infos zur Dok könnt ihr hier finden. Zum Schluss möchte ich mich noch bei allen Beteiligten bedanken, vor allem aber bei meinem Bruder Mat, dass er trotz seinem Knie doch noch mitgekommen ist und es bis zu seiner erneuten Verletzung absolut gekilled hat (Trips mit dem Bruder sind einfach immer besser ;)), bei Tissi, ohne welchen wir nie nach Alaska gekommen wären, aber auch vor allem bei unseren anderen Mitreisenden Julian, Dominik und Ändu, die uns ihre Idee verraten haben und uns motiviert haben einfach mitzukommen. Äs isch so hüera geil gsi Jungs!!!!

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